Die Organisation von Lieferketten ist schon immer abhängig von der Kooperation verschiedener Akteure. Durch den zunehmenden Einsatz digitaler Technik wollen Logistikunternehmen ihre Prozesse flexibler und gleichzeitig effizienter gestalten. Dabei soll das Internet die Welt der Waren zum Greifen nahe bringen: Durch Onlineshopping ist das neue Smartphone oder das Outfit für die nächste Party nur ein paar Klicks entfernt. Es sind verschiedene Arten von Effizienzsteigerungen, die das Onlineshopping verspricht. Zum einen sind es finanzielle Einsparungen durch geringere Preise als im stationären Einzelhandel, zum anderen Zeitersparnisse durch wegfallende Anfahrtswege und eine Verringerung des Aufwands durch automatisierte Kaufempfehlungen. Diese Effizienzsteigerungen durch digitale Technik tragen zur räumlichen und zeitlichen Entgrenzung unseres Konsumverhaltens bei, was zusätzliche Rebound-Effekte mit sich bringt. Was auf der einen Seite Effizienzgewinne bedeutet, heißt auf der anderen ökologische, aber auch steigende soziale Kosten.
Sei es in der Lagerlogistik oder bei Lieferdiensten: die Arbeitnehmer*innen zahlen die Zeche für die wachsende Logistikbranche. Ihre Arbeit wird durch die digitale Fortführung der Automatisierung zunehmend fremdbestimmt, und sie werden durch digitale Steuerungstechnik wie Apps oder Handscanner zum verlängerten Arm der Maschine degradiert. Algorithmen strukturieren die Logistikbranche jedoch nicht nur auf der Ebene von manueller Arbeit, sondern auch Managementsysteme verändern sich durch algorithmische Bewertungsverfahren. Diese übertragen die Logik von Kundenbewertungen im kommerziellen Internet auf die betriebliche Ebene: einerseits können Mitarbeiter*innen die Arbeit und das Verhalten der anderen über eine App bewerten, andererseits erfasst die App — wie in der Lieferbranche üblich — als zentrales Managementsystem direkt Daten zur Bewertung der Arbeitsproduktivität. Diese Bewertungsdaten wirken unmittelbar sowohl auf den Arbeitsalltag als auch auf die Karrieremöglichkeiten.
Algorithmen und Daten sind hier untrennbar miteinander verbunden: die Daten für digitale Managementsysteme und Steuerungs-Apps kommen von den Arbeitnehmer*innen und Kund*innen, und dienen durch algorithmische Verarbeitung wiederum der Steuerung von ebendiesen Arbeitnehmer*innen und Kund*innen. Zu einer sozial-ökologisch gerechten Gesellschaft gehört auch selbstbestimmte Arbeit. Es stellt sich die Frage, inwiefern digitale Steuerungsmechanismen eine selbstorganisierte und bedürfnisorientierte Arbeit unterstützen können. Gleichzeitig braucht es eine Transformation unseres Verständnisses von Effizienz in der Logistik: bedeutet effizient im Sinne sozial-ökologischer Kriterien immer noch schnell und flexibel oder nicht doch eher ressourcensparsam, unter Vorbeugung von Reboundeffekten?
Um sich tiefer zur Rolle digitaler Technik im Bereich Logistik und in die Debatten unserer Veranstaltungen einzulesen, sind hier relevante Veranstaltungen und Beiträge aus dem Blog zu finden.
17.05.2022 — Meldung zu Kommunikation, Logistik, Mobilität
von Nicolas Guenot
Wege zum guten (digitalen) Leben für alle? Erkenntnisse aus dem Projekt.
Aus den vielen Diskussionen mit Expert*innen, die wir im Rahmen dieses Projekts geführt haben, können wir einige Schlussfolgerungen ziehen. Diese fassen wir in einer Broschüre zusammen, die jetzt online zu lesen ist.
In der Broschüre „Digital bewegt — Wege zum guten (digitalen) Leben für alle“ werden viele Fragen rund um die Gestaltung und Nutzung digitaler Technik nachgegangen. Wie können Plattformen für nachhaltige Mobilität jenseits kapitalistischer Zwänge, immer mobil und erreichbar zu sein, gebaut werden? Welche digitalen Organisationssysteme für eine zukunftsfähige Logistik gibt es, die ohne den Zwang zu einer immer stärkeren Flexibilisierung auskommen? Und welche neuen sozialen Medien können sich von der Willkür der Algorithmen befreien und selbstbestimmt von allen benutzt und mitgestaltet werden?
Klar ist, dass wir uns für Kriterien stark machen müssen, die uns dabei helfen, digitale Technik zukunftsfähig zu machen und sie in der nötigen sozial-ökologischen Transformation zum Wohle aller und global gerecht einzusetzen.
12.05.2022 — Meldung zu Kommunikation, Logistik, Mobilität
von Nicolas Guenot
Veranstaltung am 25.5.2022, 19-21 Uhr, in der Galerie KUB in Leipzig und im Livestream.
Wie sieht eine Zukunft aus, in der gesellschaftliche Herausforderungen genau dann mit digitaler Technik gelöst werden, wenn das das sinnvollste Mittel ist? Wie kann mit der Klimakrise global gerecht umgegangen werden, wenn wir wirklich abwägen, wann digitale Technik mehr Probleme schafft als sie löst?
Dass eine tiefgreifende sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft nötig ist, machen vielfältige Krisen deutlich. Die Klimakrise ist dabei untrennbar mit Krisen globaler und sozialer Ausbeutung und Ungleichheit verbunden. In der aktuellen öffentlichen und politischen Debatte spielt digitale Technik als Lösung für diese Krisen eine zentrale Rolle: Über Mobilitätsplattformen und algorithmisch gesteuerte Lieferketten bis hin zu digitalen Medien sollen Wirtschaft und Gesellschaft effizienter und damit — so die Hoffnung — grüner gemacht werden. Die Zukunft, die dabei entworfen wird, ist meist ein „weiter wie bisher“ nur mit mehr Technik. Zentrale Herausforderungen wie Rebound-Effekte, Ressourcen- und Energieverbrauch digitaler Technik und die damit einhergehenden Veränderungen von Arbeitsbedingungen und gesellschaftlichen Machtverhältnissen werden dabei häufig vernachlässigt.
Im Rahmen der Podiumsdiskussion werfen wir einen Blick darauf, wie eine sozial-ökologische Zukunft aussehen kann, wenn wir uns erlauben den Fokus zu weiten. Mit Perspektiven aus Wissenschaft, Klima- und Tech-Bewegung diskutieren wir wie digitale Technik gestaltet und genutzt werden müsste, damit sie wirklich zu mehr Klimaschutz, sozialer Gerechtigkeit und Selbstbestimmung beiträgt — und wo deren Grenzen liegen. Konkrete Beispiele dafür gibt es bereits und können als Kompass dafür dienen, wie wir als (Zivil-)Gesellschaft zu einem reflektierten und demokratischen Umgang mit dem großen Projekt „Digitalisierung“ kommen.
Referentinnen sind Andrea Vetter (Wissenschaftlerin und Journalistin an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und für das Oya Magazin), Claudia Henke (Mitbegründerin der Plattform-Kooperative SUPERMARKT) und Karolin Varner (Software Ingeneurin und Haeckse vom Chaos Computer Clubs).
Das Podium ist kostenlos und erfordert keine Anmeldung. Ein sensibler Umgang mit coronabedingte Vorsichtsmaßnahmen ist nach wie vor Teil unseres Veranstaltungskonzepts. Im Veranstaltungsraum werden Masken getragen und es wird regelmäßig gelüftet. Das Podium wird auch auf Youtube live übertragen werden.
30.11.2021 — Artikel zu Logistik
von Hans-Christian Stephan
Zur Anwendung algorithmischer Kontrolle bei Amazon und dem Widerstand dagegen. Amazon gilt als der Musterbetrieb für den Einsatz neuer digitaler Kontrollmitteln. Der Konzern, der im Bereich der Datenverarbeitung, des Onlinehandels und zunehmend im Bereich des Warentransports bzw. der Warenlogistik agiert, gilt als Teil der „Avantgarde des digitalen Kapitalismus“ (u.a. Nachtwey & Staab 2015). Arbeiter*innen in verschiedenen Bereichen kritisieren, dass sie bei der Arbeit unter ständiger Kontrolle durch Algorithmen und diversen Überwachungstools stehen. Nichtsdestotrotz unterschätzen derzeitige Diagnosen zur Überwachung im digitalen Kapitalismus, dass Arbeiter*innen auch Subjekte sind, die sich gegen die digitale Überwachung durch das Management wehren. Möglichkeiten, sich gegen digitale Kontrolle zur Wehr zu setzen, möchte ich im Folgenden ausloten. Ich führte dafür Interviews mit dem Betriebsrat Erwin (1), der in einem Warenlager bzw. Fulfillment Center arbeitet, und Karl der im Bereich der Softwareentwicklung für Amazon tätig war. (2) Ziel des Beitrages ist es, dass auch andere Arbeiter*innen von den Erfahrungen der betriebsaktiven Amazon-Arbeiter*innen lernen können. Es geht darum die Diskussion um eine „Technopolitik von unten“ (Schaupp 2021) zu fördern.
20.07.2021 — Meldung zu Logistik
von Anja Höfner
Online-Workshop am 17.9.2021, 10-18 Uhr.
Emails, Online-Meetings, kollaborative digitale Anwendungen — das alles sind Bestandteile des digitalen Arbeitsalltags vieler Menschen, gerade seit der Corona-Pandemie. Doch die Digitalisierung von Arbeit geht noch viel weiter: Die zunehmende digitale Steuerung von Arbeitsabläufen in Warenlagern oder von Fahrradkurier*innen, die steigenden Überwachungsmöglichkeiten der Beschäftigten, die Vermittlung von (Gelegenheits-)Jobs über digitale Plattformen oder die Bewertung von Mitarbeiter*innen oder Kolleg*innen über digitale Anwendungen für sogenannte „360-Grad-Feedbacks“ sind Beispiele für Veränderungen in der Arbeitswelt, die durch digitale Technik erst möglich wurden. Während ihre Funktionsweise meist intransparent für die Beschäftigten ist, hat sie wiederum große Auswirkungen auf deren Arbeitsrealitäten. Nicht nur aus sozialer, sondern auch aus ökologischer Perspektive sind Veränderungen in der Logistik kritisch zu hinterfragen.
In der Fortbildung wollen wir uns mit der Frage beschäftigen, wie hingegen digitale Technik gestaltet sein müsste, damit sie die Möglichkeit für selbstbestimmte Arbeit unterstützt. Welche Bedingungen müsste sie erfüllen, um sozialen, aber auch ökologischen Kriterien im Bereich der Liefer- und Lagerlogistik gerecht zu werden? Dafür lernen wir einerseits bereits vorhandene Initiativen und gelebte Alternativen für eine Neuorganisation der Logistik kennen. Daneben setzen wir uns mit bereits formulierten Forderungen für eine sozial-ökologische Gestaltung digitaler Technik auseinander und diskutieren weitere Transformationsstrategien wie gewerkschaftliche Organisierung und politische Regulierung.
Die Fortbildung richtet sich an alle Personen, die Interesse an dem Thema mitbringen, zum Beispiel Vertreter*innen aus Gewerkschaften oder dem gewerkschaftsnahen Feld, Multiplikator*innen aus der politischen Bildung, Vereinen, (Umwelt-)Verbänden und Stiftungen. Vorkenntnisse sind nicht nötig.
Die Fortbildung ist kostenlos und findet online statt. Eine Anmeldung ist erforderlich.
21.06.2021 — Meldung zu Logistik
von Anja Höfner
Online-Veranstaltung am 23.6.2021, 18-20 Uhr.
Emails, Online-Meetings, kollaborative digitale Anwendungen — das alles sind Bestandteile des digitalen Arbeitsalltags vieler Menschen, gerade seit der Corona-Pandemie. Doch die Digitalisierung von Arbeit geht noch viel weiter: Die zunehmende digitale Steuerung von Arbeitsabläufen in Warenlagern oder von Fahrradkurier*innen, die steigenden Überwachungsmöglichkeiten der Beschäftigten, die Vermittlung von (Gelegenheits-)Jobs über digitale Plattformen oder die Bewertung von Mitarbeiter*innen oder Kolleg*innen über digitale Anwendungen für sogenannte „360-Grad-Feedbacks“ sind Beispiele für Veränderungen in der Arbeitswelt, die durch digitale Technik erst möglich wurden. Während ihre Funktionsweise meist intransparent für die Beschäftigten ist, hat sie wiederum große Auswirkungen auf deren Arbeitsrealitäten. Wie müsste digitale Technik hingegen gestaltet sein, damit sie die Möglichkeit für gute Arbeit unterstützt? Welche Bedingungen müsste sie erfüllen, um sozialen, aber auch ökologischen Kriterien im Bereich der Liefer- und Lagerlogistik gerecht zu werden? Welche alternativen Ansätze, Vorschläge und gelebte Alternativen gibt es bereits für eine Neuorganisation der Logistik? Und wer sind die relevanten Akteure, die die notwendigen Veränderungen fordern, umsetzen und absichern? Wir werden diese Fragen diskutieren und gemeinsam überlegen, wie konkrete Transformationsstrategien von unten aussehen können und welche Rolle selbstorganisierte Initiativen dabei spielen.
Referent*innen sind Nathalie Szycher (foodsharing.de und Kanthaus Wurzen), Hans Stephan (Amazon Streiksolibündnis) und Moritz Altenried (Humboldt-Universität zu Berlin), und sie werden von Karin Zennig (ver.di Hessen) moderiert.
Das Podium findet im Zoom-Raum mit ID 863 6489 1402 statt (ohne Anmeldung), und wird auch auf Youtube live übertragen werden.
16.06.2021 — Artikel zu Logistik
von Anja Höfner, Max Bömelburg, Nicolas Guenot
Wie Steuerungssoftware Liefer- und Lagerlogistik verändert hat und wie sie neugestaltet werden können. In diesem Bereich des Projekts beschäftigen uns die Rolle digitaler Technik in der Gestaltung der Logistikbranche, speziell für den Bereich der Lager- und der Lieferlogistik, sowie deren Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen. Zusammen mit Vertreter*innen aus Gewerkschaften, Wissenschaft, selbstorganisierten Betrieben und sozialen Initiativen haben wir uns Fragen des bisherigen Einflusses digitaler Technik in der Logistik und einer möglichen Neugestaltung im Sinne einer Regionalisierung von Wirtschaftskreisläufen gestellt. Hier wollen wir unsere Diskussionen aus den Seminaren, die wir gemeinsam durchgeführt haben, zusammenfassen.