Seit der Öffnung des Internets in den 90er Jahren und dem Versprechen, die Welt in ein „globales Dorf“ zu verwandeln, hat unsere Art und Weise zu kommunizieren eine tiefgreifende Digitalisierung durchlaufen. Die Verwirklichung dieses Traums bleibt zwar aus, aber digitale Kommunikation hat die Welt trotzdem verändert. Bisher war es ein Privileg der Intellektuellen, Journalist*innen und Kulturschaffenden, die Räume zu schaffen, wo Gesellschaften sich zusammenfinden und gemeinsame Erzählungen entwickeln. Diese Räume waren Bücher, Zeitungen, Radio- und Fernsehsendungen. Heute spielen stattdessen Webseiten, soziale Medienplattformen und Nachrichtendienste eine wachsende Rolle. Mit solchen neuen digitalen Medien können Menschen viel mehr als vorher eine aktive Rolle einnehmen, indem sie selbst Inhalte einbringen und sich mit anderen Menschen vernetzen.
Ist die Demokratisierung der Kultur- und Wissensproduktion dadurch erledigt? Sicherlich nicht, wie beispielsweise an verschiedenen Formen der Online-Diskriminierung zu sehen ist. Auch an anderer Stelle sind die Folgen dieser digitalen Kommunikationsweise verheerend: von den gigantischen ökologischen Kosten ihrer Infrastruktur bis hin zur Spaltung der Gesellschaft durch Filterblasen, vielerorts führt die Steuerung von menschlicher Kommunikation durch Algorithmen zu einer unkontrollierten Transformation. Denn Daten — als Grundlage der digitalen Kommunikation — werden von Algorithmen genutzt, um zu entscheiden, mit wem wir uns austauschen können und wen oder was wir überhaupt nicht mehr wahrnehmen. Massive Mengen an Daten haben auch eine besondere Eigenschaft: sie ermöglichen die Anwendung statistischer Methoden wie künstliche Intelligenz und verstärken die Macht der Algorithmen, und damit die Macht einiger weniger Techkonzerne.
Deshalb müssen digitale Medien neu erfunden werden. Aber auf der Basis welcher Infrastruktur? Die notwendige sozial-ökologische Transformation kann nicht mit einem immer wachsenden Bedarf an Strom und einer undemokratischen Gestaltung von Plattformen einhergehen. Die Herausforderung besteht also darin, eine neue Form der digitalen Kommunikation zu finden, die die Grenzen der Natur und unseres Lebens beachtet, und eine selbstbestimmte Vernetzung mit Menschen aus verschiedenen geographischen und sozialen Herkünften ermöglicht. Die zentrale Frage ist aber nach wie vor: welche (und wie viele) Daten werden produziert, und wie viel Kontrolle haben wir über Algorithmen, die unser Leben mitbestimmen?
Die Frage nach der Gestaltung unserer digitalen Kommunikationsmittel kann also nicht beanwortet werden, ohne einen gesellschaftlichen Konsens über die Produktion und Verarbeitung von Daten zu finden. Dies erfordert einerseits die Verbreitung eines Grundwissens über die Rolle von Daten in unserem Leben, so dass alle Menschen Algorithmen selbstbestimmter nutzen können. Andererseits braucht es einen Abbau der Vermachtung von Expertise durch den Aufbau eines gerecht verteilten technischen Wissens — denn nur so können sich alle an der Gestaltung der Technik entlang von sozialen und ökologischen Kriterien beteiligen.
Um sich tiefer zur Rolle digitaler Technik im Bereich Kommunikation und in die Debatten unserer Veranstaltungen einzulesen, sind hier relevante Veranstaltungen und Beiträge aus dem Blog zu finden.
17.05.2022 — Meldung zu Kommunikation, Logistik, Mobilität
von Nicolas Guenot
Wege zum guten (digitalen) Leben für alle? Erkenntnisse aus dem Projekt.
Aus den vielen Diskussionen mit Expert*innen, die wir im Rahmen dieses Projekts geführt haben, können wir einige Schlussfolgerungen ziehen. Diese fassen wir in einer Broschüre zusammen, die jetzt online zu lesen ist.
In der Broschüre „Digital bewegt — Wege zum guten (digitalen) Leben für alle“ werden viele Fragen rund um die Gestaltung und Nutzung digitaler Technik nachgegangen. Wie können Plattformen für nachhaltige Mobilität jenseits kapitalistischer Zwänge, immer mobil und erreichbar zu sein, gebaut werden? Welche digitalen Organisationssysteme für eine zukunftsfähige Logistik gibt es, die ohne den Zwang zu einer immer stärkeren Flexibilisierung auskommen? Und welche neuen sozialen Medien können sich von der Willkür der Algorithmen befreien und selbstbestimmt von allen benutzt und mitgestaltet werden?
Klar ist, dass wir uns für Kriterien stark machen müssen, die uns dabei helfen, digitale Technik zukunftsfähig zu machen und sie in der nötigen sozial-ökologischen Transformation zum Wohle aller und global gerecht einzusetzen.
12.05.2022 — Meldung zu Kommunikation, Logistik, Mobilität
von Nicolas Guenot
Veranstaltung am 25.5.2022, 19-21 Uhr, in der Galerie KUB in Leipzig und im Livestream.
Wie sieht eine Zukunft aus, in der gesellschaftliche Herausforderungen genau dann mit digitaler Technik gelöst werden, wenn das das sinnvollste Mittel ist? Wie kann mit der Klimakrise global gerecht umgegangen werden, wenn wir wirklich abwägen, wann digitale Technik mehr Probleme schafft als sie löst?
Dass eine tiefgreifende sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft nötig ist, machen vielfältige Krisen deutlich. Die Klimakrise ist dabei untrennbar mit Krisen globaler und sozialer Ausbeutung und Ungleichheit verbunden. In der aktuellen öffentlichen und politischen Debatte spielt digitale Technik als Lösung für diese Krisen eine zentrale Rolle: Über Mobilitätsplattformen und algorithmisch gesteuerte Lieferketten bis hin zu digitalen Medien sollen Wirtschaft und Gesellschaft effizienter und damit — so die Hoffnung — grüner gemacht werden. Die Zukunft, die dabei entworfen wird, ist meist ein „weiter wie bisher“ nur mit mehr Technik. Zentrale Herausforderungen wie Rebound-Effekte, Ressourcen- und Energieverbrauch digitaler Technik und die damit einhergehenden Veränderungen von Arbeitsbedingungen und gesellschaftlichen Machtverhältnissen werden dabei häufig vernachlässigt.
Im Rahmen der Podiumsdiskussion werfen wir einen Blick darauf, wie eine sozial-ökologische Zukunft aussehen kann, wenn wir uns erlauben den Fokus zu weiten. Mit Perspektiven aus Wissenschaft, Klima- und Tech-Bewegung diskutieren wir wie digitale Technik gestaltet und genutzt werden müsste, damit sie wirklich zu mehr Klimaschutz, sozialer Gerechtigkeit und Selbstbestimmung beiträgt — und wo deren Grenzen liegen. Konkrete Beispiele dafür gibt es bereits und können als Kompass dafür dienen, wie wir als (Zivil-)Gesellschaft zu einem reflektierten und demokratischen Umgang mit dem großen Projekt „Digitalisierung“ kommen.
Referentinnen sind Andrea Vetter (Wissenschaftlerin und Journalistin an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und für das Oya Magazin), Claudia Henke (Mitbegründerin der Plattform-Kooperative SUPERMARKT) und Karolin Varner (Software Ingeneurin und Haeckse vom Chaos Computer Clubs).
Das Podium ist kostenlos und erfordert keine Anmeldung. Ein sensibler Umgang mit coronabedingte Vorsichtsmaßnahmen ist nach wie vor Teil unseres Veranstaltungskonzepts. Im Veranstaltungsraum werden Masken getragen und es wird regelmäßig gelüftet. Das Podium wird auch auf Youtube live übertragen werden.
04.05.2022 — Meldung zu Kommunikation
von Nicolas Guenot
Die Eroberung der Medien durch Techkonzerne hat tiefgreifende Veränderungen mit sich gebracht: Der ökologische Fußabdruck der allgegenwärtigen mobilen Geräte ist enorm angewachsen, Information machen ebenso wie Desinformation auf sozialen Medien und in Chatgruppen die Runde und täglich werden die klassische Leitmedien von einflussreiche Twitter-Nutzer*innen herausfordert. In der Corona-Pandemie sind digitale Kommunikationsformen noch wichtiger geworden und damit ist die Macht der Techkonzerne weiter angewachsen. Außerdem tobt im Internet nach wie vor der Kampf um Aufmerksamkeit, und hierbei gewinnen nicht immer Journalist*innen oder Menschen, die ihre Quellen gut recherchieren. Aus sozial-ökologischer Perspektive ist eine Neugestaltung der sozialen Medien also dringend nötig. Vorschläge für diese Neugestaltung sind mit alternativen soziale Medien in der Keimform bereits aus der kritische Tech-Szene entwickelt worden.
In diesem Workshop wollen wir uns mit der Frage beschäftigen, wie Techkonzerne wie Facebook und Google die Medienlandschaft neu geprägt haben und wie ihre Plattformen die klassische Medienökonomie verändert haben. Wie werden Machtverhältnisse verschoben und welche Rolle spielen hierbei Journalist*innen? Wer wird in Meinungsbildungsprozessen und Wissensvermittlung bei sozialen Medien aktiv? Zudem wollen wir uns bereits vorhandene Alternativen näher angucken. Freie Software wie Mastodon strebt mit dem Fediverse nach eine selbstbestimmte digitale Öffentlichkeit, die uns eine Vision zukunftsfähiger digitalen Medien vorliegt. Wie sind diesen Alternativen raus aus der Nische zu holen? Und welche sozial-ökologischen Kriterien sollten wir uns für die künftige Entwicklung sozialer Medien geben?
Der Workshop richtet sich an alle Personen, die Interesse an dem Thema mitbringen, zum Beispiel Journalist*innen, in der digitalen Medienlandschaft Aktive oder auch Multiplikator*innen aus der politischen Bildung, Vereinen, (Umwelt-)Verbänden und Stiftungen. Vorkenntnisse sind nicht nötig.
Der Workshop ist kostenlos und findet online statt. Eine Anmeldung ist erforderlich.
21.03.2022 — Meldung zu Kommunikation
von Nicolas Guenot
Online-Veranstaltung am 31.3.2022, 18-20 Uhr.
Die Entstehung der sozialen Medien hat nicht nur die herkömmlichen Muster des Medienkonsums verändert, sondern auch die Praxis der redaktionellen Arbeit: so werden zum Beispiel Journalist*innen gezwungen, sich an die Standards der neuen Plattformen anzupassen. Wenn sich der primäre Ort des gesellschaftlichen Diskurses in digitalen Räume verschiebt, in welchem Verhältnis stehen Journalismus und teilautomatisierte Aufgaben wie Content-Moderation und Community-Management?
Die Gefahren einer datengetriebenen und profitorientierten Strukturierung des „öffentlichen Raums“ — real handelt es sich dabei um private Räume in der Hand von Techkonzernen — wurden in den letzten, politisch turbulenten Jahren durch Debatten über Filterblasen deutlich sichtbarer. Die Ausbreitung prekärer Arbeit (zum Beispiel bei sogenannten Clickworkern) hingegen nicht: im Maschinenraum der Medienplattformen muss das wachsende digitale Prekariat versteckt hinter Algorithmen malochen. Während eine Flut von Fake News die journalistische Arbeit verschlingt, bildet sich in den dunklen Räumen der unkreativen Heimarbeit die neue gefährliche Klasse? Liegt dort die Macht, Medienplattformen zu erobern und informationelle Selbstbestimmung für alle zu erkämpfen? Kann das Internet sein Versprechen der 90er Jahre endlich erfüllen, Keimzelle einer globalen, freien Gesellschaft zu sein?
Wir wollen gemeinsam nach vorne denken und nach Auswegen aus Filterblasen und algorithmischer Entfremdung suchen. Dabei sind viele Fragen noch offen. Welche Entwürfe, vom Plattformkooperativismus bis hin zur Vergesellschaftung, zeigen uns wohin es gehen könnte? Welche digitalen Medien sollte sich eine Gesellschaft überhaupt wünschen, die nach sozialer und ökologischer Gerechtigkeit strebt und die Debatte um soziale und ökologische Krisen demokratisch führen will?
Referent*innen sind Nina Scholz (Journalistin) und Sebastian Sevignani (Universität Jena), und sie werden von Ronja Morgenthaler moderiert.
Das Podium findet im Zoom-Raum mit ID 844 1433 4222 statt (ohne Anmeldung), und wird auch auf Youtube live übertragen werden.