Der Einsatz digitaler Technik in der Gestaltung der städtischen Mobilität und die Rolle digitaler Plattformen als immer wichtigerer Zugangspunkt für verschiedene Mobilitätsangebote beschäftigten uns in diesem Bereich unseres Projekts. Gemeinsam mit Menschen, die in verschiedenen Bereichen aktiv sind — von der Techszene bis hin zur Ökobewegung, aus Gewerkschaften und Organisationen der Zivilgesellschaft — haben wir uns die Frage nach der Rolle digitaler Technik in der bisherigen Entwicklung der Mobilität und in einer kommenden Mobilitätswende gestellt. Hier wollen wir unsere Diskussionen aus den Seminaren, die wir gemeinsam durchgeführt haben, zusammenfassen.
Mit der Verbreitung digitaler Geräte und Infrastrukturen werden immer mehr Daten über Verkehrsaufkommen, Auslastung der Fahrzeuge, Routenplanung und Fahrscheinausgaben erhoben. Damit werden Mobilitätsangebote einfacher zugänglich gemacht und digitale Steuerungsmöglichkeiten erweitert. Das Versprechen einer Digitalisierung der Mobilität liegt in der Entwicklung multimodaler Plattformen, die einen bequemen und einheitlichen Zugang zu und Nutzung von verschiedenen Verkehrsmitteln ermöglichen. Dennoch war in unserer Diskussion klar: die Mobilitätswende steht noch aus.
Einigkeit herrschte schnell darüber, dass flexible und personalisierte Angebote (oft unter dem Begriff Mobility-as-a-Service diskutiert) und die wenigen entwickelten multimodalen Plattformen am bisherigen Verhältnis der unterschiedlichen Verkehrsmittel noch nichts ändern konnten. So entfielen 2018 fast dreiviertel des Personenverkehrs auf den motorisierten Individualverkehr. Auch am ökologischen Fußabdruck der Mobilität hat sich die letzten Jahrzehnte wenig verändert. Das multimodale Angebot ist aber in Städten vielfältiger geworden — durch verschiedenste Leihfahrräder, E-Scooter, geteilte Autos, Rufbusse und vor allem neue digitale Reiseplanungs- sowie Fahrplananwendungen.
Obwohl es die Städte sind, die sich erhoffen, durch digitale Technik ihren Verkehr umweltfreundlicher und störungsfreier zu organisieren, ist die bisherige Entwicklung der Technik von Unternehmen geprägt. Die Aneignung von Verkehrsdaten ist für private Akteure ein wichtiger Schritt, um von Plattform-Effekten zu profitieren. Dabei geraten Städte und Verkehrsbetriebe in Schwierigkeiten, wenn sie die nötige digitale Kompetenz nicht aufbauen können und verlieren durch die entsprechende Abhängigkeit von Techunternehmen sowohl die Kontrolle über Daten als auch einiges an Innovations- und Gestaltungsmacht in der Verkehrsplanung.
Mobilitätsangebote sind noch selten überregional und Verkehrsdaten generell wenig verfügbar. Dennoch ist eine Verschiebung hin zu privaten digitalen Plattformen schon zu beobachten. Der Zugang zu Verkehrsmitteln erfolgt jetzt auf unterschiedlichen Ebenen häufiger über digitale Angebote — wie beim Abrufen von Fahrplänen, dem Anfordern von Fahrtmöglichkeiten oder der Anmietung von Fahrzeugen. Parallel damit geht eine Externalisierung einher, wodurch Beschäftigte der Mobilitätsbranche weniger bei kommunalen Verkehrsbetrieben arbeiten, sondern zunehmend in prekäre Arbeitsverhältnisse (bis hin zur Solo-Selbstständigkeit wie bei Uber) verdrängt werden.
Wenn digitale Mobilitätsplattformen zunehmend eine zentrale Rolle spielen sollen, müssen sie sozial-ökologischen Zielen dienen. Angesichts der Klimakrise und der nötigen Senkung der CO2-Emissionen müssen sie zu einer Reduzierung des Verkehrs und vor allem zum Abschied vom privaten Auto als Norm und Zwang beitragen. Dabei wird der einfache Zugang zu einer Verkehrsform, bei der mehrere Verkehrsmittel in Kombination und teils auf einer Wegstrecke genutzt werden können, zukünftig eine entscheidende Rolle spielen — dafür sind multimodale Plattformen relevant. Diese neue Mobilitätsform muss aber mit Blick auf ein Recht auf Mobilität für alle gestaltet werden, jenseits von Zwängen und Privilegien. In unserer Diskussion wurde die Kontroverse aufgegriffen, inwiefern es zunächst darum gehen müsste, mithilfe digitaler Tools und Elektromobilität den unökologischen Autoverkehr zurückzudrängen, oder bereits das Problem eines Übermaßes an Mobilität angesichts globaler Ungerechtigkeiten und der Steigerung des Verkehrs durch Rebound-Effekte thematisiert werden sollte.
Um die Nutzung ökologischer Verkehrsmittel attraktiver zu machen, muss der Einsatz digitaler Technik bedürfnisorientiert sein und dementsprechend den lokalen Kontext berücksichtigen. Während eine hochfrequentierte Route eines Busses nach Taktfahrplan abgedeckt werden kann, sollte trotz geringerer Zahl an Fahrgästen im Umland einer größeren Stadt durch flexible Mobilitätsangebote ein Zugang zum Nahverkehrssystem ermöglicht werden — beispielsweise mit digital unterstützten Rufbussen, die Randstadtteile an den städtischen ÖPNV anbinden. Bei dieser lokalen Gestaltung der Mobilität war die Frage der Vereinheitlichung für uns umstritten. Auf der einen Seite sind lokalspezifische Lösungen ökologisch sinnvoll und für eine demokratische Kontrolle bestärkend. Auf der anderen Seite ermöglicht eine überregionale Vereinheitlichung eine zugänglichere und attraktivere Mobilität für alle. Dabei spielen die Fragen nach gemeinsamen Standards für Verkehrsdaten und die Zentralisierung der Mobilitätsplattformen eine zentrale Rolle.
Auf einer technischen Ebene müssen digitale Mobilitätsangebote an Datensparsamkeit und Datenschutz orientiert sein. Bei der Erhebung und Nutzung von Verkehrsdaten müssen ökologische und demokratische Faktoren gegenüber der Nützlichkeit der Daten abgwägt werden — egal ob es sich um Fahrplandaten, Echtzeitdaten, Routenanfragen oder Kartendaten handelt. Jenseits von persönlichen Bewegungsdaten müssen auch kollektive Verkehrsdaten vorsichtig behandelt werden, denn sie sind eine wichtige Grundlage der öffentlichen Mobilitäts- und Stadtplanung. In der Diskussion waren wir uns einig, dass kommunale Spielräume bei der Gestaltung von Mobilitätsangeboten erweitert werden müssen, damit eine langfristige, ökologische und demokratische Planung möglich ist. Die Fähigkeit der Städte, ihre Kontrolle über Daten zu sichern, ist ein wichtiges Ziel um einer möglichen Machtkonzentration bei einzelnen privaten Akteuren entgegenzuwirken. Digitale Mobilitätsplattformen müssen Teil einer gemeinwohlorientierten Infrastruktur sein.
Eine Herausforderung in der Diskussion rund um den Einzatz digitaler Technik, besonders im Bereich der Mobilität, ist die nötige breitere Rahmung: digitale Tools allein können nie soziale, ökologische oder gesellschaftliche Probleme lösen. In unserer Diskussion war also ganz klar, dass unsere Vision von digitalen Mobilitätsangeboten sich einer grundlegenden sozial-ökologischen Mobilitätswende unterordnen muss — klimafreundlich, am Gemeinwohl und dem Abbau von Barrieren und Diskriminierungen orientiert, transparent und demokratisch. Anhand dieser Zielorientierung haben wir unterschiedliche Strategien diskutiert.
Wenn der Verkehr so schnell wie möglich klimaneutral werden muss, ist es sinnvoll die Mobilitätswende digital zu unterstützen und durch attraktive multimodale Plattformen reale Alternativen zum Auto im Privatbesitz zu schaffen. Parallel zur Unterstützung der Entwicklung solcher öffentlichen Plattformen sollten zivilgesellschaftliche Ansätze wie zum Beispiel nicht profitorientierte Sharing-Angebote oder Buchungssysteme für Lastenräder gefördert werden. Dies braucht sowohl aktive Menschen aus der Techszene als auch die institutionelle Schaffung eines fruchtbaren Rahmens. Hier muss das Ziel sein, allen Zugang zu einem guten ÖPNV zu ermöglichen — daher müssen sowohl Bewohner*innen der städtischen Räume als auch Beschäftigte in der Mobilität die nötige Technikentwicklung mitgestalten.
Eine gerechte und transparente Mobilitätsgestaltung von unten erfordert Aktionen auf zwei Ebenen. Zunächst bedarf es öffentlich finanzierter Entwicklungsprozesse gemeinwohlorientierter Mobilitätsangebote sowie die Förderung offener Standards. Verkehrsdaten müssen als Gemeingut verstanden werden, was durch eine datensensible Politik der Open-Data zu erreichen wäre, wodurch persönliche Daten wenig oder gar nicht erhoben werden, während kollektive Daten für alle zugänglich gemacht werden. Auf einer institutionellen und staatlichen Ebene muss außerdem eine undemokratische Machtkonzentration bei Techfirmen verhindert werden. Dafür sind gesetzliche Eingriffe wie die Verpflichtung für Mobilitätsplattformen, offene Schnittstellen zu betreiben oder auf Verkehrsdaten basierende Software unter Open Source Lizenzen zu entwickeln, geeignet.
Unsere Diskussion hat gezeigt, dass weiterhin Austausch zwischen Akteuren der Zivilgesellschaft und des Mobilitätsbereichs mit unterschiedlichen Perspektiven nötig ist. Mit dem Ziel, digitale Technik im Sinne einer sozial-ökologischen Mobilitätswende einzusetzen, und mithilfe klarer Kriterien für deren Entwicklung, lässt sich viel erreichen. Die Bewegung, die die nötigen öffentlichen multimodalen Plattformen zur Realität machen wird, muss noch zusammenkommen — die Konturen der Mobilitätswende sind aber da und zeigen teilweise schon, wohin die Reise führt.