Dieses Projekt ist ein Versuch, die Gestaltung digitaler Technik aus einer kritischen sozial-ökologischen Perspektive neu zu denken. Hier erklären wir, was wir vorhaben und wie wir mit welchen Akteuren zusammenarbeiten wollen. Weiter unten ist mehr zu finden über die inhaltliche Ausrichtung des Projekts, welche Fragen uns beschäftigen und was die drei Themen Mobilität, Logistik und Kommunikation verbindet.
Aus den vielen Diskussionen mit Expert*innen, die wir im Rahmen dieses Projekts geführt haben, können wir einige Schlussfolgerungen ziehen. Diese fassen wir in einer Broschüre zusammen, die jetzt online zu lesen ist.
Digitale Technik durchdringt immer mehr Bereiche unseres Lebens und der Gesellschaft. Ihre Auswirkungen sind komplex: So hat digitale Technik nicht nur einen immensen ökologischen Fußabdruck, sondern verändert auch unsere Kommunikation, unsere Arbeit, verschiebt Machtverhältnisse oder beeinflusst unsere Möglichkeiten demokratischer Teilhabe. Da digitale Technik über mehrere Dimensionen hinweg wirkt, arbeiten wir in unserem Projekt zu verschiedenen Schwerpunkten. In den drei Bereichen Mobilität, Logistik und Kommunikation bringen wir in unterschiedlichen Formaten Expert*innen mit verschiedenen Perspektiven auf den jeweiligen Bereich zusammen.
Mit Vertreter*innen aus Umweltorganisationen, Gewerkschaften, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Tech-Bewegungen wollen wir analysieren, diskutieren und verstehen, wie digitale Datenproduktion und -verarbeitung diese Bereiche bisher verändert hat, welche Mechanismen dort wirken und welche sozial-ökologischen Folgen damit verbunden sind. Darauf aufbauend wollen wir Kriterien erarbeiten, an denen sich der Einsatz von datenbasierten Systemen aus sozial-ökologischer Perspektive orientieren sollte. Anhand dessen leiten wir konkrete Schritte sowie politische Forderungen ab. Die Ergebnisse der Seminare veröffentlichen wir als Beiträge auf dieser Seite.
Mit öffentlichen Podiumsdiskussionen und Multiplikator*innen-Workshops laden wir anschließend eine breitere Öffentlichkeit ein, sich mit sozial-ökologischen Perspektiven auf digitale Datenproduktion und -verarbeitung zu beschäftigen, neue Denkanstöße zu bekommen und sie dazu ermutigen, sich aktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen sowie eine eigene kritische Haltung zu entwickeln.
Die eine Digitalisierung gibt es nicht: die vielfältigen Veränderungen unserer Lebensweise durch digitale Technik sind Ausdruck einer längeren Welle der Automatisierung und damit Teil der ständigen Neugestaltung der Industriegesellschaft. Schon früh wurde von der digitalen Tech-Industrie eine vollautomatisierte Zukunft versprochen, wo menschenähnliche Roboter unsere Arbeit übernehmen und eine denkfähige künstliche Intelligenz unsere Leben- und Produktionsweise grundsätzlich verändert. Ganz so ist es nicht gekommen, verändert haben sich Gesellschaften aber doch. Denn alles wird digital in Bewegung gebracht: Menschen, Waren, Daten. Genauer gesagt hat digitale Technik eine Steuerungsfunktion übernommen — in der Mobilität in Form von neuen Plattformen, in der Logistik mit Managementsystemen, die die Beschäftigten dirigieren, und in der Kommunikation mit neuen digitalen Medien. Damit wird das — durchaus streitbare — Versprechen eingehalten, Automatisierung aus der Fabrik in die ganze Welt zu bringen.
Heute ist Effizienz das zentrale Versprechen der digitalen Technik. Als wichtiger Träger der kapitalistischen Zweckrationalität ist digitale Technik zum Instrument der Rettung einer krisenhaften Wirtschaft geworden: in diesem Kontext wird Effizienz in verschiedenen Formen angestrebt. Die Durchdringung von immer mehr Lebensbereichen durch digitale Geräte eröffnet neue Märkte und ermöglicht gleichzeitig eine Individualisierung der Angebote. Komplexe Software wird eingesetzt, um Kosten und Ressourcenverbräuche zu senken und die Produktivität zu erhöhen. Einer allumfassenden Digitalisierung wird auch ein großes Potenzial für die Bewältigung der Klimakrise zugeschrieben. Aber was verbirgt sich hinter einer solchen Erzählung der Effizienzgesellschaft? Rohstoffe werden massiv abgebaut und auch der Strombedarf digitaler Technik steigt durch Rebound-Effekte ungehindert weiter an. Arbeit wird immer prekärer, wenn die Logik der Flexibilität in allen Branchen Einzug erhält. Problematische Folgen, die dem demokratischen Konsens widersprechen, werden durch Externalisierung ausgelagert. Diese multiplen Krisen werfen die Fragen auf, wie wir Effizienz anders denken können und welche Lebensbereiche losgelöst davon funktionieren sollten.
Unter der Annahme, dass Algorithmen effizienter als Menschen seien, wird die Welt an digitale Technik angepasst. Überall wo Software anwendbar ist, werden bestehende Infrastrukturen umgestoßen und dementsprechend Machtverhältnisse verschoben — oft zugunsten großer Techkonzerne. Die neuen Infrastrukturen schaffen unsere digitale Umwelt und bedingen damit unser Leben, denn immer öfter treffen Algorithmen Entscheidungen, die sonst von Menschen getroffen werden würden. So werden Rahmenbedingungen zunehmend automatisiert auf der Grundlage von Datensätzen geschaffen, anstatt als Ergebnis politischer Entscheidungsprozesse. Wie aber kann eine Gesellschaft demokratisch sein, wenn ihre wichtigsten materiellen Infrastrukturen Datensätze sind? Daten sind nicht neutral, sie spiegeln die Machtverhältnisse der Gesellschaft wider und müssen daher kritisch hinterfragt werden. Die notwendige sozial-ökologische Transformation erfordert eine Erneuerung von materiellen, institutionellen und mentalen Infrastrukturen, und wir müssen uns fragen, welche Rolle digitale Technik für eine solche Transformation spielen kann.
Eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung würde eine ganz neue Materialität brauchen, wie demokratisch kontrollierte und resiliente Netzwerke, langlebige ressourcen- und datensparsame Geräte oder selbstbestimmte Arbeitsbedingungen. Entgegen der Erzählung einer vermeintlichen Dematerialisierung, brauchen wir starke sozial-ökologische Kriterien, die wir als Kompass für eine Transformation nutzen können. Während die nötigen Anforderungen an digitale Hardware relativ klar erscheinen, sei es hinsichtlich ihres ökologisches Fußabdrucks oder der Arbeitsbedingungen ihrer Herstellung, sind bezüglich der Gestaltung von Software viele Fragen offen. Wenn Algorithmen einen wichtigen Teil unseres Lebens mitbestimmen, wie können sie sozial-ökologisch gerecht und demokratisch legitimiert sein? Welche Daten verarbeiten sie und wem gehören diese Daten? Für wen ist Software wirklich zugänglich, auch wenn ihr Quellcode offen ist? Weil diese Fragen die Beschaffenheit der Technik wesentlich mitbestimmen, müssen wir Software als Teil der materiellen Infrastruktur begreifen.
Digitale Technik jenseits der Ausbeutung von Mensch und Natur zu entwickeln heißt, die Welt zu verändern. Dafür werden wir uns entscheiden müssen, wie und auf Grundlage welcher Prinzipien wir unsere Gesellschaft zusammen gestalten wollen. Wie könnten digitale Plattformen für nachhaltige Mobilität jenseits des Effizienzzwangs gebaut werden? Welche digitalen Organisationssysteme ohne gezwungene Flexibilisierung können wir für eine zukunftsfähige Logistik anwenden? Und welche neuen Medien können sich von der Willkür der Algorithmen befreien und selbstbestimmt von allen benutzt und mitgestaltet werden? An all diesen Fragen wollen wir konstruktiv arbeiten, um die Demokratisierung der digitalen Technik zu stärken und ihre Anwendung für eine sozial-ökologische Transformation in den Bereichen Mobilität, Logistik und Kommunikation zu fördern.